Warum ich meinem Patienten Vitamin D empfahl
Von Dr. med. Inken Seelmann, Hausärztin in Bamberg
Letzte Woche betrat Herr Schneider meine Praxis. 62 Jahre alt, pensionierter Lehrer, eigentlich kerngesund. Aber in letzter Zeit fühlte er sich ständig müde. Keine Energie, wenig Motivation, und in seinen Worten: “Ich funktioniere noch, aber ich lebe nicht mehr richtig.” Zuerst dachte ich an das übliche: Blutdruck, Herz, Schilddrüse. Alles in Ordnung. Dann, fast beiläufig, fragte ich: “Wie oft sind Sie draußen in der Sonne?” Er zuckte mit den Schultern. “Ehrlich gesagt? Fast gar nicht. Ich bin kaum noch draußen. Der dauernde Regen, die wenige Sonne, das wechselnde Wetter – Sie wissen ja …”
Da war der Moment kommen, in dem es bei mir klickte. Ich bat ihn um einen Bluttest-unter anderem auch zur Kontrolle des Vitamin D Spiegels.
Der unsichtbare Mangel
Wenige Tage später kam das Ergebnis: sein Vitamin D -Wert lag deutlich unter den empfohlenen Bereich. Kein Einzelfall-im Gegenteil. In Deutschland haben viele Menschen einen Vitamin D Mangel Punkt. Der Grund ist einfach: unser Körper bildet Vitamin D nur dann in ausreichender Menge, wenn Sonnenlicht – genauer gesagt UV B Strahlung – auf unsere Haut trifft. Oft ist das in unseren Breitengraden gar nicht mehr ausreichend möglich. Und wer dann noch viel Zeit für drinnen verbringt, läuft schnell Gefahr, in ein Defizit zu rutschen – so wie Herr Schneider.
Nahrungsergänzungen-ja oder nein?
In Gesprächen mit meinem Patienten höre ich oft Skepsis gegenüber Nahrungsergänzungsmitteln. “Brauche ich das wirklich?” “Ist das nicht nur Geldmacherei?” Eine gesunde Skepsis ist wichtig. Aber bei Vitamin D sprechen die Fakten eine klare Sprache: bei nachgewiesenem Mangel ist eine gezielte Substitution medizinisch sinnvoll – und häufig notwendig. Das belegen zahlreiche Studien. Ein dauerhaft niedriger Vitamin-D-Spiegel kann nicht nur zu Müdigkeit führen, sondern langfristig auch das Risiko für Osteoporose, Infektionen und sogar Herz-Kreislauf- Erkrankungen erhöhen.
Wichtig ist: nicht einfach blind Tabletten einwerfen. Der Spiegel sollte idealerweise gemessen und die Dosis individuell angepasst werden. Ich verordnete Herrn Schneider ein gut dosiertes Präparat – nach Abgleich mit dem Laborergebnis.
Die Sonne in der Tablette-und ein bisschen mehr
Ein paar Wochen später saß Herr Schneider wieder in meiner Sprechstunde. “Ich fühle mich deutlich besser, nicht wie neu geboren, aber: mehr wie ich selbst.” Ich nickte. Vitamin-D ist kein Wundermittel-aber manchmal ist es genau das Puzzleteil, das gefehlt hat. Was ich meinen Patienten immer sage: wer sich ausgewogen ernährt, regelmäßig draußen bewegt und im Sommer bewusst Sonnenlicht tankt, (wenn es welches gibt) hat gute Chancen, ohne Ergänzung auszukommen. Aber wenn die Sonne fehlt -sei es wegen Wetter, Lebensstil oder Alter- kann eine Tablette oder ein Tropfen aus der Apotheke sehr wohl helfen, das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Mein Fazit als Hausärztin:
Lassen Sie Ihren Vitamin-D- Spiegel checken. Vor allem im Herbst/Winter oder bei anhaltender Müdigkeit,
Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für gesunde Lebensweise, aber manchmal eine notwendige Ergänzung nicht überdosieren! Zu viel Vitamin- D kann auch schädlich sein. Halten Sie Rücksprache mit ihrem Arzt. Denn am Ende geht es darum, sich wieder gut zu fühlen – mit oder ohne Sonne.
Und manchmal beginnt alles mit einem einfachen Satz hinter Sprechstunde: “Ich bin irgendwie ständig müde ….”
Disclaimer über die Autorin
Dr. med. Inken Seelmann ist Fachärztin für Allgemeinmedizin. Im medicum-bamberg.de liegen ihre Schwerpunkte neben hausärztlicher Betreuung in den Bereichen Diagnostik bei Verdauungsproblemen, Haarausfall, ärztlich unterstütztem Abnehmen und Gelbfieberimpfungen.
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